Wenn dies eine Mount Everest-Expedition wäre, wäre ich nun wohl im zweiten Basislager (wieviele Basislager gibt es am Mount Everest überhaupt?) angelangt. Das letzte Basislager vor dem finalen Anstieg.
Fitou, Weindorf in der Nähe von Perpignan, sonnen- und windverwöhnt, das nach starkem Regen und ein paar Tagen Wind immer aussieht wie mit dem Kärcher gesäubert, sagt mein Freund Hagen.
Die dreißig Kilometer von meinem Felsen, hinter dem gestern das Zelt leidlich vorm Tramuntana geschützt stand bis nach Fitou zu @fimidi @hagengraf, waren geprägt vom bis knapp hundert Kilometer schnell tosenden Tramuntanawind. Aus Nordwesten kommend kann er bis zu drei Wochen anhalten, erklärte mir ein dickbäuchiger Seemann mit SOLCHEN Oberarmen in Port-La-Nouvelle. Zum Glück muss ich nicht nach Nordwesten. Dennoch ist es schwierig, das Europennerradel im Wind zu navigieren. Meist habe ich Seitenwind, dessen Böen mich hin und her werfen, das Fahrrad steht dann schräg im Wind. Die Böen kommen unvermutet. Wenn man Glück hat, kündigen sie sich durch ein Grummeln in den Pinien an. Einmal drückt es mich eine Böschung hinauf am Kanalradweg und es ist ein Glück, dass der Kanal rechts von mir, auf der windzugewandten Seite liegt. Ein andermal, kurz hinter Port-La-Nouvelle, droht der Tramuntana, mich eine zwei Meter tiefe Böschung hinabzudrücken. Unvergessen bleibt mir jener Moment, in dem er einige Kilometer weit direkt von hinten kommt und ich ohne zu treten mit dreißig Sachen nur so dahinsegele.
Gegen Mittag treffe ich bei Hagen und Christine ein. Lecker Pudding, dampfend warm, Kaffee, absacken, das schöne, rote Appartement beziehen, das Frau Soso und ich im letzten Winter gemietet hatten, ach und dann auch die Wehmut und die Erinnerungen an damals, und nun bin ich aber alleine hier in der Bude mit dem bequemen, frisch bezogenen, großen Bett.
Wie so ein Reset der Reise wirkt das. Ich weiß nicht, ob mir das gut tut. (Klar tun Erholung und Dach überm Kopf gut, aber die Wehmut …).
Nun sitze ich hier auf dem Bett und schreibe diese Zeilen, draußen tost noch immer der Wind und fast kommt es mir vor wie eine kleine Falle der Glückseligkeit, eine unheimliche Schwerkraft des Geborgenseins, die mir die Abreise schwer macht, ich schon liebäugele, einen Tag länger zu bleiben und mit der Angst ringe, dass mit jeder Minute, die ich in diesem Kokon verbringe, das Weiterfahren noch schwerer wird. Denn der Wind wird mich noch bis mindestens Argelès-sur-Mer, etwa vierzig, fünfzig Kilometer südlich hin- und herschütteln. Es sei ein Wetterphänomen, das aus der Kälte der Pyrenäen im Kontrast zur Hitze des Flachlands geboren wird und dann entstehen dermaßen große Luftdruckunterschiede, dass es tage- und nächtelang so weitergeht.
Anyway. In einer Stunde werde ich wieder im Sattel schaukeln, muss mir nur noch überlegen, wie ich zurück auf die Radlerroute komme, denn Landstraße fahren bei diesem Sturm behagt mir gar nicht.
Vorhin habe ich noch einen unreifen Blogartikel privat ins Blog geladen, den ich gedenke, für das E-Book, das aus dem Blog entstehen wird, noch auszuarbeiten.
Die Gratwanderung zwischen Blog und Buch ist nicht sehr einfach. Oft reicht die Zeit nicht, einen Artikel zu schreiben, bzw. den Anspruch an die Qualität zu erfüllen. Diese stets galoppierende Gegenwart.
Manchmal liegen auch noch nicht alle Puzzlestücke für einen Artikel vor.